#10 - St. Lucia

Unsere Flottille entlang der kleinen Antillen segelt weiter. Nach Tagen vollgepackt mit Bootsarbeiten in der Rodney Bay im Norden der Insel, sind wir auf der Suche nach den traumhaften Sandstränden, dem dichten Regenwald, der Postkartenidylle und dem einfachen Boat Life vor Anker. Die Insel diente in der Vergangenheit als Filmkulisse für Fluch der Karibik und glaubt man manch einem Reiseführer, herrscht heutzutage noch die Gesetzlosigkeit von damals. Kriminalität ist hier und auf den kommenden Inseln ein Thema und es gab in den letzten Jahren immer wieder Überfälle, Raubüberfälle und Diebstahl, auch auf Segler. Obwohl wir das natürlich ernst nehmen, lassen wir uns nicht verunsichern. Solange man sich nicht mit all seinen Wertsachen nachts im Dunkeln an den einsamen Strand legt, sollte das schon passen.

Luxus vs. Boat life

Wir landen nach einem entspannten Segeltag in der Marigot Bay. Malerisch gelegen, geschützt vor Wind und Schwell, türkisblaues Wasser und weißer Sandstrand. Und am Ende der Bucht das dickste Luxushotel. Wir treffen das erste Mal auf eine Spezies der besonderen Art, die Boat Boys. Es gibt nichts was sie nicht besorgen würden und nichts was sie nicht für dich erledigen können. In Scharen strömen sie auf uns zu als wir Kurs auf die Bucht nehmen. Welcome to paradise my friends. Meist in alten Holzbooten, manchmal auch Schlauchboote. Brauchen wir eine Boje? Nur 20 US Dollar pro Nacht - Spezialpreis selbstverständlich. Eine Kette wollen wir doch sicherlich? Die neueste Kollektion an buntem Schmuck wird auf unserem Deck ausgebreitet. Mangos und Bananen? Kiloweise no problem my friend, this is paradise. Wir lehnen freundlich und bestimmt ab und die Meute zieht sich wieder zurück. Schließlich Ankern wir für null Dollar und weit entfernt von der Luxus-Oase im vorderen Teil der Bucht. Klares Wasser, Sicht bis zum Grund und der Anker hält im Sand.

Marigot Bay

Täglich grüßt der Party-Katamaran

Zugegeben, die einsame Idylle ist das hier nicht aber das war uns klar, dafür ist die Marigot Bay ein zu großer Touri-Magnet. Tagsüber sehr geschäftig, Boote rein raus, lautstarke Party-Katamarane auf Sightseeing Tour und irgendwo tüdelt immer Musik. Trotzdem haben wir einen ruhigen Platz am Eingang der Bucht. Morgens genießen wir herrliche Ruhe bevor die Boote kommen und abends schauen wir den malerischen Sonnenuntergang von einem Platz aus der ersten Reihe. Die Pelikane segeln von der einen Seite der Bucht zur anderen, nur wenige Meter von uns entfernt und immer wieder zwischen unseren Booten hindurch. Das Wasser schimmert blau, wir sehen den Grund und beobachten Fische vom Boot aus. Wir schnorcheln an der Küste entlang, finden riesige Felsen im Wasser mit Korallen und Pflanzen, die sich sanft in den Wellen wiegen. Unser Boat Boy des Vertrauens liefert täglich frisches Obst und Gemüse direkt ans Boot. Wir sind uns mit unserem Buddy Boat Ronja einig, da haben wir ein schönes Fleckchen auf dieser Erde gefunden. Mit unseren zwei Segelbooten genießen wir die Tage und unser eigenes kleines Reich, im vorderen Teil der sonst so geschäftigen Marigot Bay.

Marigot Bay

Der Landausflug steht an und wir spazieren zur nahegelegenen Rum Destillerie. Auf dem Weg entdecken wir Mangobäume, so weit das Auge reicht, und finden eine Bäckerei mit leckerem Kokoskuchen. Wir schlendern durch die Straßen und in einem Moment der Unentschlossenheit, welche Richtung wir als nächstes einschlagen wollen, werden wir von ein paar Einheimischen in eine Smoothie Bar gerufen. Ja gut, warum auch nicht. Ein netter Plausch später und am Ende werden wir die letzten 2 km zur Destillerie noch mit dem Auto mitgenommen. Dankbar entgehen wir so der Mittagshitze und freuen uns wie immer über die Freundlichkeit und den netten Kontakt zu den Einheimischen. Anders als auf Martinique ist die Besichtigung der Destillerie auf St. Lucia eher kurz und knackig. Dafür darf man sich zum Schluss einmal durch das gesamte Sortiment probieren und kann dann gut angetüdelt den Shop besuchen.

Destillerie St. Lucia 

pitons

Nach vier Tagen wollen wir weiter und legen ab mit Ziel Soufriere und die beiden Pitons, die spitzen Berge vulkanischen Ursprungs und DAS Postkarten Motiv auf St. Lucia. Es weht nur wenig Wind im Westen der Insel und wir kommen nach sehr ruhigen und entspannten drei Stunden an. Die Boat Boys haben uns vermutlich längst auf dem AIS erspäht und wittern ihr Geschäft. Vor den Pitons ist Ankern verboten und man muss an eine Boje. Wir werden schon weit vor der Bucht abgefangen und bekommen Begleitschutz zur Boje. Es gibt einige Boat Boys und wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Sie reichen uns noch großzügig die Leine der Boje und wollen dafür umgerechnet ca. 6 Euro haben. Sportlich für einen Handgriff, den wir auch selbst hinbekommen würden. Aber die Arbeitslosigkeit bzw. Armut ist hier hoch und sie verdienen sich so etwas dazu, also zahlen wir und genießen den Sonnenuntergang. Währenddessen wird uns selbstredend die neueste Schmuckkollektion der Bucht präsentiert und ein paar Kinder fragen nach Keksen. Den Schmuck brauchen wir noch immer nicht, Kekse verteilen wir natürlich liebend gerne. 

Soufriere & Pitons 

Soufriere ist ein überschaubares Städtchen und wir können im Supermarkt und auf dem Markt ein paar Lebensmittel aufstocken. Wir machen eine Wanderung zum Jungle Spa - schlecht riechende Schwefelquellen und warme Schlammlöcher. Was auf den ersten Eindruck nicht besonders einladend klingt, ist am Ende ein amüsanter Ausflug. Wir dürfen uns mit Schlamm einreiben, im grauen Wasser baden und unter dem Wasserfall wieder sauber machen. Garantiert 100% natürliche Zutaten, Wirkung to be discussed, Spaßfaktor hoch. Zum Schluss gibt es Früchte zu essen und Kokosöl für die Haut. Für Segler mit begrenztem Zugang zu Wellness jeder Art ein lohnender Ausflug. Auf dem Weg zurück sammeln wir Mangos bis der Rucksack voll ist und gönnen uns einen Nachmittagssnack in einem lokalen Restaurant. 

Seegras xxxL

Zwischendurch wird in unserer Bucht immer wieder Seegras angeschwemmt. Zu dieser Jahreszeit angeblich normal und die Teppiche umsäumen unsere Boote. Dinghi fahren wird zur Herausforderung, weil der Motor bzw. Propeller damit nicht klar kommt und Paddeln ist das neue Workout. Alternativ übt man sich in Geduld und meist ist nach einer halben Stunde eine kurze Pause, bevor der nächste Teppich anrollt. Besonders erfreut sind wir, als mehr und mehr unsere Toilettenspülung versagt. Das Seegras besteht zum Teil aus sehr kleinen, runden Kügelchen, die sich den Weg problemlos bis zu unseren Seeventilen und weiter in die Filter suchen. Mit Pinzette wird in mühsamer Handarbeit jedes einzelne dieser Biester aus dem Vorfilter für Toilettenspülung und Wassermacher wieder rausgesammelt. So kann man seinen Tag auch rumbringen.  

Soufriere & Pitons 

Genug vom Seegras, unsere kleine Flottille will weiter. Der Südzipfel der Insel soll es werden, die Bucht bei Laborie. Der Wind ist etwas schwach vorhergesagt und die Windrichtung passt so halb, aber wir haben Zeit und wollen notfalls kreuzen. Wir brechen von Soufriere auf und segeln so hoch am Wind wie es nur geht. Nach einer Weile merken wir, so richtig vom Fleck kommen wir nicht. Wir segeln zwar, aber eher Kurs Mexiko und gefühlt kommen wir kaum voran. Ronja beschließt zu wenden, wir halten erstmal unseren Kurs. Das Manöver bringt den anderen eine 180 Grad Wende und sie steuern mehr oder weniger zurück nach Soufriere.  Wir dagegen halten noch immer gegen Westen statt Süden. Es vergehen vier Stunden segeln, bis wir uns über Funk mit Ronja zum Kapitulieren entscheiden. Wir sind noch immer auf Höhe Soufriere und sind sozusagen ‚rückwärts‘ gesegelt. Der Übeltäter ist die Strömung, an besagtem Tag relativ stark, die uns einfach zurück gedrückt hat. Der Wind war am Ende zu schwach und wir schaffen es nicht, unter Segeln dagegen anzukommen. Mittlerweile geht die Sonne wieder unter und wir starten den Motor, Kurs auf unseren bisherigen Platz an der Boje zwischen den beiden Pitons.

Ende gut alles gut

Am Ende sind wir fünf Stunden unterwegs und sind genau null Seemeilen weiter gekommen. Wir hätten die Strecke zwar unter Motor zurücklegen können aber wir wollten segeln. Ein verlorener Tag könnte man meinen, hätten uns nicht unsere liebsten Meeresbewohner besucht. Als wir mit hängenden Schultern zurück zu den Pitons steuern, tauchen duzende Delfine neben der Sir auf. Allein 10 bis 12 Tiere springen um unseren Bug, dazu tauchen sie in Scharen links und rechts von uns auf, springen akrobatisch aus dem Wasser und begleiten uns ein ganzes Stück. Da geht einem das Herz auf und jede Begegnung mit diesen fröhlichen Tieren lässt alle anderen Gedanken für den Moment verschwinden. Da ist er wieder, der magische Moment den wir beim Segeln so lieben. Der Tag ist ganz anders gelaufen als geplant und doch sammelt man schöne Erinnerungen. 

Pitons 

Wir verbringen somit eine weitere Nacht an der Boje und genießen den Blick auf den Sonnenuntergang. Hinter uns die Luxushotels, links und rechts eingebettet zwischen den Pitons und mit Blick auf den immer dunkler werdenden Horizont. Wenigstens kein Boat Boy mehr in Sicht, der uns für 6 Euro die Leine reichen will. Am nächsten Tag brechen wir früh auf und legen die ersten fünf Seemeilen unter Motor zurück. Dadurch kommen wir aus der gröbsten Strömung raus und können die restliche Strecke entspannt unter Segeln zurücklegen. 

Pitons 

In einer Bucht neben Laborie gehen wir vor Anker. Der kleine Ort wird nicht allzu oft besucht und die meisten segeln direkt weiter nach St. Vincent. Uns gefällt der Ort dadurch immer besser: Klein aber fein, wenig Touristen und alles ist ein ganzes Stück günstiger als an den Hot-Spots. Wir werden von Mama Tilly typisch kreolisch bekocht, suchen Ersatzteile in einem Wrack am Strand und spazieren durch den kleinen Ort. Die Nacht verbringen wir in einer einsamen Ankerbucht und freuen uns über die Idylle. Wir würden jederzeit wiederkommen und wären vielleicht noch länger geblieben, aber Claudius muss für seinen Heimatbesuch zum Flughafen im Süden von St. Vincent, unserer nächsten Insel. Wir lassen St. Lucia hinter uns und nehmen so viele positive Eindrücke von der Insel, der Natur und den netten Bewohnern mit.

Laborie

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